Short Volatility-Risiken: Ein Déjà-vu?

Nach nahezu zwei Jahren stetigen Wachstums korrigierte der US-Aktienmarkt am 5. Februar 2018 abrupt, unmittelbar gefolgt durch den europäischen Markt. Die Volatilität schnellte um 50 Prozentpunkte nach oben und sorgte bei Verkäufern von Volatilität für die "Volpocalypse". 7orca vergleicht diese Situation mit der des Herbsts 2019 und analysiert Paralellen und Unterschiede.

Vielen Marktteilnehmern und insbesondere Volatilitätsinvestoren ist der Februar 2018 in haftender Erinnerung geblieben: binnen eines Tages verzeichnete die Aktienvolatilität einen massiven Sprung; in der Folge verzeichneten Short Volatility-Strategien deutliche Verluste.

Seit einigen Tagen lassen sich der Fachpresse vermehrt Artikel entnehmen, in denen Parallelen zu der Zeit vor diesem Ereignis gezogen werden.1 Könnte also ein ähnlicher Volatilitätssprung und/oder eine deutlich negative Korrektur der Aktienmarktentwicklung unmittelbar bevorstehen? Unstrittig scheint, dass auch heute Short Volatility-Strategien von einem sprunghaften Volatilitätsanstieg negativ betroffen wären.

7orca möchte diesen Anlass nutzen und diese beiden Marktsituationen gegenüberstellen, Parallelen aufzeigen und ebenso auf wichtige Unterschiede aufmerksam machen.

Februar 2018: Die „Volpocalypse“

Im Februar 2018 korrigierte der US-amerikanische Aktienmarkt nach nahezu zwei Jahren stetigen Wachstums abrupt. Der europäische Aktienmarkt folgte, wenn auch etwas gedämpfter. Schwerwiegender für Volatilitäts-Investments war allerdings der massive Anstieg der Volatilität. Der VIX Index, das Maß für die zukünftige kurzfristige Schwankungsintensität am US- Aktienmarkt und der Indikator für die Unsicherheit der Marktteilnehmer weltweit, verzeichnete den seit Jahren größten Anstieg innerhalb kürzester Zeit. Von historisch niedrigen Niveaus schnellte die Volatilität um rund 50 Prozentpunkte nach oben. (Quelle: Bloomberg. VIX Index. Zeitraum 05.02.2018 – 06.02.2018)

Einige Verkäufer von Volatilität, die diese ohne Absicherung veräußerten, verzeichneten existentielle Verluste. Daher wurde dieses Ereignis in der Presse mit klangvollen Namen als „Vol-mageddon“, „VIXplosion“ oder „Volpocalypse“ bezeichnet.

Mögliche Auslöser für den Volatilitätssprung

Die genauen Ursachen der Überreaktion am Volatilitätsmarkt sind schwer zu bestimmen. Die Meinungen unter Marktteilnehmern dazu sind vielschichtig. Manche Beobachter sind der Auffassung, dass die Korrektur überfällig und eine Reaktion auf die nicht fundamental getriebene Aktienhausse der Vorjahre gewesen sei.

Andere argumentieren, es habe eine Manipulation des VIX Index vorgelegen. Händler hätten den VIX Index manipuliert, indem sie überzogene Preisangebote für wenig liquide, weit aus dem Geld liegende S&P 500 Optionen quotiert hätten. Der VIX Index wird anhand der Quotierungen und nicht auf Basis tatsächlich gehandelter Optionspreise berechnet.

Eine weitere Theorie sieht die Ursache in den stark angewachsenen, spekulativen Short VIX Future-Positionen. In der Folge habe es einen Short Squeeze gegeben, da diese Investoren ihr Risiko kurzfristig reduzieren mussten und ihre offenen Short-Positionen eindeckten. Es dürfte schwierig sein, die Wahrheit aus den vorliegenden Informationen herauszufiltern. Eventuell besteht diese auch in einer Kombination dieser Gemengelage.

Marktsituation im Herbst 2019: Ein Déjà-vu?

Im Herbst 2019 können Parallelen zum Frühjahr 2018 nicht von der Hand gewiesen werden. Die globalen Aktienmärkte sind seit Jahresbeginn 2019 signifikant gestiegen und haben jüngst einen neuen Höchststand erreicht (Quelle: Bloomberg. MSCI World Index. Zeitraum: 01.01.1968 – 05.12.2019). Erstaunlich, betrachtet man die eingetrübten volkswirtschaftlichen Daten.

Zeitgleich lässt sich folgendes Paradoxon beobachten: Seit dem Sommer sinkt die Volatilität an den Aktien-, Währungs- und vielen Rohstoffmärkten stetig, während der Global Policy Uncertainty Index, der die Einschätzung der Marktteilnehmer hinsichtlich wirtschaftspolitischer Unsicherheiten misst, zunehmenden Pessimismus abzeichnet.2
Die Spekulationsgeschäfte von VIX Futures-Positionen weisen netto einen neuen Tiefstwert aus, d.h. spekulative Short-Positionen übertreffen Long-Positionen. Informationen hierzu gibt der CFTC CBOE VIX Futures Non-Commercial Net Index. Dieser repräsentiert die Netto-Position von VIX Futures-Geschäften, die nicht zu Absicherungszwecken eingesetzt werden.


Abb. 1 | CFTC CBOE VIX Futures VIX Non-Commercial Net Total (Saldo aus Long- und Short-Positionen)

Quelle: Bloomberg, 7orca Asset Management AG. (01.11.2011 – 05.12.2019)


Im November 2019 sind die Investoren mehrheitlich short in VIX Futures positioniert und setzen demnach auf ein Fortbestehen des niedrigen Volatilitätsregimes. Sind dies die Anzeichen eines Short Squeeze und einer abrupten Korrektur?

Marktsituation Februar 2018 = Marktsituation Herbst 2019?

Dem Februar 2018 gingen zwei Jahre voraus, die von kontinuierlich steigenden Aktienmärkten geprägt waren. Gestützt wurde diese Entwicklung von einer akkommodierenden Geldpolitik sowohl der EZB als auch der Fed. Die Risikoaversion rückte zunehmend in den Hintergrund. Das zweite Halbjahr 2018 und auch 2019 bis dato zeigten ein anderes Gesicht: Im Oktober 2018 verzeichnete der globale Aktienmarkt den stärksten Rückgang binnen eines Monats seit 2011; dieser wurde durch den Handelskrieg zwischen den USA und China befeuert. Nach einer kurzen Atempause im November bot sich im Dezember 2018 ein ähnliches Bild. Das Umfeld beständig fallender Kurse an den Anleihemärkten scheint nun Vergangenheit zu sein; in 2019 wiesen diese deutlich mehr Schwankungsintensität auf. Dies zeigt, dass ein intaktes Risikoaversions-Verhalten vorliegt: Negativen Schlagzeilen sind Kursreaktionen an den Märkten gefolgt. Ein blindes Vertrauen in die Unterstützung der Zentralbanken ist nicht in dem Umfang wie Anfang 2018 zu beobachten. Wachsame und skeptische Marktteilnehmer sprechen gegen eine „böse Überraschung“ am Volatilitätsmarkt.

Dieses Verhalten lässt sich aus dem Verhältnis von ausstehenden Put- gegenüber ausstehenden Call-Optionen im S&P 500 Index auf Monatsbasis ablesen. Mit einem Wert von 2,2 ist dieses Verhältnis deutlich höher als vor vorangegangenen Marktkorrekturen. Eine höhere Kennzahl reflektiert eine höhere Nachfrage nach Put-Optionen, welche hauptsächlich zur Absicherung gegen Aktienmarktrückschläge eingesetzt werden. Daher wird diese als Sentiment-Indikator verwendet und zeigt, dass Investoren deutlich vorsichtiger agieren.


Abb. 2 | 1-Monats-Durchschnitt ausstehender Kontrakte von S&P 500 Put- versus Call-Optionen

Quelle: Bloomberg, 7orca Asset Management AG. (01.01.2011 – 05.12.2019)


Der VIX Index hat bisher nicht das Rekordtief von unter 10 Prozentpunkten erreicht und notiert auf Niveaus wie 2012 bis 2015. Die niedrige implizite Volatilität sollte jedenfalls keinen Grund zur Sorge geben. Diese Werte sind im historischen Vergleich nicht außergewöhnlich.

Abb. 3 | CBOE VIX Index 

Quelle: Bloomberg, 7orca Asset Management AG. (01.11.2011 – 05.12.2019)


Die Netto-Spekulationsgeschäfte bei VIX Futures zeigen neue Rekordstände. Allerdings erreicht die absolute Anzahl ausstehender Short-Positionen bisher nicht das Niveau von Ende 2017/Anfang 2018. Dies bedeutet, dass bei einem VIX-Anstieg weniger Volumen mit Long VIX Future-Positionen glattgestellt werden muss.


Abb. 4 | CFTC CBOE VIX Futures VIX Non-Commercial Short Contracts

Quelle: Bloomberg, 7orca Asset Management AG. (01.11.2011 – 05.12.2019)


Zeitgleich sind seit 2018 die Long-Positionen am Volatilitätsmarkt signifikant im Volumen gestiegen. Dies ist hauptsächlich durch Marktteilnehmer getrieben, die eine Absicherung zu ihren Aktien-Investments suchen. Entsprechend investierten sie in Vehikel, die von einem Volatilitätsanstieg profitieren. Allein die drei größten ETFs von iPath/Barclays, ProShares Trust und VelocityShares/Crédit Suisse (Bloomberg tickers: iPath/Barclays VXX, ProShares Trust UVXY and VelocityShares/Credite Suisse TVIX) konnten in 2019 über USD 2 Mrd. insgesamt zulegen. Diese Anbieter auf der Long Volatility-Seite gab es in dem Umfang im Februar 2018 nicht. Heute müssen sie der Short-Positionierung bei spekulativen VIX-Futures gegenübergestellt werden und relativieren die Aussagekraft der Netto-Short-Position.

Conclusio

Parallelen zur Entwicklung in 2018 sind insbesondere in der Netto Short-Positionierung bei VIX Futures erkennbar. Die Schlussfolgerung, dass diese die Grundlage für einen signifikanten und unmittelbaren Volatilitätsanstieg sind, greift zu kurz. Die von der Presse teils bedrohlich dargestellte aktuelle Lage ist nicht direkt mit der von Februar 2018 vergleichbar. Wie wir in diesem IN FOCUS dargelegt haben, sehen wir aktuell bei differenzierter Betrachtung keine erhöhte Gefahr eines Short Squeeze.

Nichtsdestotrotz kann ein abrupter Volatilitätssprung nie ausgeschlossen werden. Und darin liegt auch die Existenz der Volatilitätsrisikoprämie begründet – sowie ihre Attraktivität für Investoren. Dass es irgendwann zu einer Korrektur kommen wird ist unabdingbar, denn die Volatilitätsrisikoprämie, wie jede andere Risikoprämie, ist dynamisch. Ein Timing ist hier überaus schwierig. Positive Nebenwirkung der „VIXplosion“ war immerhin, dass eine Konsolidierung des Short Volatility-Marktes stattgefunden hat. Anbieter ungesicherter und stark gehebelter Produkte mussten ihre Strategien liquidieren 10 oder Anpassungen vornehmen, um weiterhin am Markt bestehen zu können.

Der 7orca-Ansatz zur Vereinnahmung der Volatilitätsrisikoprämie

Unseres Erachtens ist ein systematischer, regelbasierter Ansatz zur Vereinnahmung der Volatilitätsrisikoprämie am besten geeignet. 7orca reagiert zudem auf Veränderungen des Marktumfelds. Der Investment-Prozess sieht vor, dass in einem Regime sinkender/ niedriger Volatilität das Exposure der Strategie, also die Anzahl der verkauften Optionen, reduziert wird. Zur Risikodiversifikation erfolgt die Streuung der Prämiengenerierung über mehrere Basiswerte und Anlageklassen. Die Prämie am Anleihemarkt ist momentan attraktiv, so dass wir hier im November eine gute Performance erzielten.3 In einem stetigen Seitwärtsmarkt konnte die Strategie auf Währungsbasiswerte nachhaltig positive Performance-Beiträge leisten.4
So lassen sich zudem die Risiken eines Volatilitätsanstiegs am Aktienmarkt mitigieren.

Quellen

1 Quellen: Bloomberg, „The Short-Volatility Trade Is Now So Big It’s Starting to Break”, Stand: 22.10.2019, “Record Short VIX Positioning Reflects a Ton of Fear Elsewhere”, Stand: 04.11.2019; Seeking Alpha, “Market Volatility Bulleting: Short VX Futures Positioning At All-Time Record. And That’s Okay.” Stand: 12.11.2019; Zero Hedge: VIX Futures Hit New Record Short: Is A Historic Volatility Squeeze Coming?“
2  Quelle: Bloomberg. Deutsche Bank FX Volatility Indicator, CBOE/COMEX Gold Vol Index, Chicago Board Options Exchange Volatility Index, Global Policy Uncertainty Index, VIX Index. (01.06.2019 – 05.12.2019)
3 Quelle: 7orca Asset Management AG, Universal-Investment-Gesellschaft mbH. 7orca Vega Return Investmentfonds Anteilsklasse I. Performance-Beitrag der Strategie auf Anleihebasiswerte: +0,27%. Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist kein verlässlicher Indikator für künftige Ergebnisse. Die Ermittlung der Wertentwicklung erfolgt nach der BVI-Methode (ohne Berücksichtigung von Ausgabeaufschlägen). Das Anlageergebnis kann sich zudem um individuell anfallende Depotkosten vermindern. (01.11.2019 – 30.11.2019)
4 Quelle: 7orca Asset Management AG, Universal-Investment-Gesellschaft mbH. 7orca Vega Return Investmentfonds Anteilsklasse I.Performance-Beitrag der Strategie auf Währungsbasiswerte: 2,37%. Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist kein verlässlicher Indikator für künftige Ergebnisse. Die Ermitt-lung der Wertentwicklung erfolgt nach der BVI-Methode (ohne Berücksichtigung von Ausgabeaufschlägen). Das Anlageergebnis kann sich zudem um individuell anfallende Depotkosten vermindern. (01.02.2018 – 30.11.2019)

Autor

Deputy Head of Portfolio Management

Tom Pansegrau, CFA

Tom Pansegrau verantwortet das Management der Volatilitätsstrategien von 7orca und die Entwicklung von Risikoprämienstrategien. Er hat mehr als 10 Jahre Berufserfahrung im quantitativen Asset Management und war unter anderem für Robeco, Metzler und Berenberg tätig. Zuvor managte er bei Berenberg als Head of Liquid Alternatives optionsbasierte Investment-Lösungen. Tom Pansegrau hält einen Master in Finance (Financial Engineering, M.Sc.) der Universität Lausanne und ist CFA Charterholder.
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Rechtliche Hinweise

Die in diesem Dokument vorgestellte Anlagestrategie richtet sich ausschließlich an professionelle Kunden im Sinne des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) und kann nur für diese Kunden (typischerweise in einer Fondsstruktur) umgesetzt werden. Alle Annahmen, Prognosen und Informationen basieren auf der standardisierten Ausgestaltung der 7orca Vega Return Strategie, die zu durchschnittlichen Marktkosten umgesetzt wurde.

Weitere Informationen zu diesem Standard-Investmentprozess finden Sie im generischen RfP, das auf Anfrage bei der 7orca Asset Management AG erhältlich ist. Aufgrund der unterschiedlichen Anlegerbedürfnisse und -situationen sowie der daraus resultierenden spezifischen Preisgestaltung werden weitere individuelle Kosten für Verwaltung und Verwahrung nicht berücksichtigt. Die 7orca Asset Management AG unterbreitet Ihnen jedoch gerne ein spezifisches Angebot, das Ihre individuellen Bedürfnisse und Bedingungen berücksichtigt. Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist kein verlässlicher Indikator für zukünftige Ergebnisse. Alle Angaben in diesem Dokument wurden nach bestem Wissen und Gewissen auf Basis der uns zur Verfügung stehenden Daten zusammengestellt. Eine zivilrechtliche Haftung kann diesbezüglich jedoch nicht übernommen werden. Hinweise auf bestimmte Finanzinstrumente sind rein beispielhaft und keinesfalls als Empfehlung im Sinne einer Anlageberatung zu verstehen. Eine Veröffentlichung der 7ora Asset Management AG.

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